Das Jahr der Abteilungsgründung
Am 1. Mai in diesem Jahr wurde der schon vielseitige TV-Gerthe um eine Abteilung erweitert worden – der Abteilung Judo.
Für Gerthe und seine nähere Umgebung war Judo eigentlich nichts Neues, denn bereits in den fünfziger Jahren gründete sich neben der traditionsreichen Boxabteilung der KSV Siegfried Gerthe eine Judo-Abteilung.
Im Laufe der folgenden Jahre konnte die Abteilung – die sich eines regen Zuspruchs erfreute – einige Erfolge in ihrer Geschichte verbuchen. Trotz eines regen Zu- und Abganges blieb ein konstanter Kern der Abteilung zunächst erhalten.
Erst gegen Ende der sechziger Jahre ging die Mitgliederzahl erheblich zurück. Die Trainingsabende wurden immer spärlicher besucht. Ja, es kam sogar so weit, dass in Folge Trainermangels im Jahr 1971 der Trainingsbetrieb für lange Zeit völlig zum Stillstand kam.
Nach Aufnahme des Trainings drohte aber wieder der Zusammenbruch. Das letzte >> treue Häuflein << des KSV Siegfried Gerthe stand letztlich vor der Entscheidung: Auflösung oder Anschluss an den TV-Gerthe.
Das Angebot des Anschlusses an den namhaften TV-Gerthe war nicht erst im Jahre 1972 gemacht worden.
Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung wurde dem Vereinsanschluss einhellig zugestimmt.
An dieser Stelle dürfen die übergetretenen Mitglieder dem 1. Vorsitzenden des KSV Siegfried Gerthe, Heinz Scholz, Dank sagen für die freundliche Unterstützung, die es ermöglicht, Judo auf weiterhin im Gerther Raum zu erlernen und auszuüben.
In diesem Augenblick wird man sich die Frage stellen, ob Judo etwas mit Turnen – mit Leibeserziehung zu tun hat. Mit dem Namen Judo tauchen andere Bezeichnungen wie Jiu-Jitsu, Karate, Aikido usw. zwangsläufig auf. Im gewissen Sinne beinhalten alle Bezeichnungen Selbstverteidigung, Angriff und Sport, sind aber trotzdem nicht unter einen Nenner zu bringen.
Forscht man in der Geschichte, so beginnt aller Ursprung in China. Der japanischen Geschichte ist zu entnehmen, dass die Japaner schon vor Christi allem Chinesischem besonders zugänglich waren.
Auf diese Weise kam auch das System Jiu-Jitsu, eine Kunst, bei der man ohne Waffen andere überwältigen kann, nach Japan.
Japanische Samurai-Ritter gründeten das System Jiu-Jitsu und betrieben es insbesondere in der Zeit, in der es ihnen durch kaiserlichen Befehl das Schwerttragen untersagt war.
Mit dem Niedergang der Samurai verlor auch die waffenlose Kunst ihre Bedeutung und es gab schließlich eine Zeit, in der nur wenige Japaner Kenntnis von Jiu-Jitsu hatten.
Ein Deutscher, Dr. Baelz, Professor der Kaiserlich-Japanisches Universität von 1876 bis 1902, machte Bekanntschaft mit dem Jiu-Jitsu. Eine Vorführung brachte ihn auf den Gedanken, dass dies eine wertvolle Gymnastik für seine Studenten sein könne.
In der Universität hatten bereits einige Studenten Jiu-Jitsu aufgenommen; der eifrigste Vorkämpfer war ein junger Gelehrter Namens Dr. Kano. Dieser gründete im Jahr 1882 den heute allseits bekannten Kodokan und gab der dort gelehrten Kunst den Namen Judo.
Dr. Baelz sagte folgendes über das Wort Jiu-Jitsu: Der Sinn von Jiu-Jitsu und Judo ist im Wesentlichen derselbe. In beiden Fällen heißt Juiu sanft. Während Jitsu eine mehr mechanische oder technische Kunst bedeutet, ist Do eine Bezeichnung für eine religiöse oder ethische Lehre.
Durch die Wahl des Wortes Judo statt Jiu-Jitsu zeigt Kano an, dass er seine Methode auf eine höhere Ebene stellt.
Mit der Idee, die Kunst gefahrlos als Sport durchzuführen, indem alle gefährlichen Methoden ausgeschaltet werden und nur das Beste alle Jiu-Jitsu- System ausgewählt wurden, gab Kano ein System heraus, dass er Judo nannte.
Diese Methode des Angriffs- und Verteidigungswesens wird jetzt im Kodokan gelehrt.
Dr. Kano: Der Name Jiu-Jitsu wurde durch den neuen Namen Judo so verdrängt, das heute niemand mehr in Japan von Jiu-Jitsu spricht, obwohl er im Ausland weiterlebt.
Über London begann 1899 die eigentliche Entwicklung des Judo in Europa.
Zusammenfassend ist festzustellen, das Judo ein Kampfsport mit traditioneller Geschichte ist und richtig betrieben an die körperliche und geistige Erziehung stellt.
Judo ist für die Leibeserziehung zweifelsohne empfehlenswert.
Unter diesem Aspekt soll die Sportart im TV Gerthe weiter gepflegt und gefördert werden.
Durch Publikation des Vereins hat sich der Mitgliederbestand der Abteilung vom 1. Mai 1972 bis zum Jahresende auf nahezu 60 erhöht. Erfreulicher Weise steht der Schülerzugang im Vordergrund. Jedoch sollen sich auch ältere Jahrgänge nicht von der Betreibung des Sports nicht abhalten lassen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang das Beispiel eines 70 jährigen japanischen Diplomaten, vor einiger Zeit die Wartezeit auf einem Flughafen mit Fallübungen auf hartem Asphalt verkürzte.
Lern- und Trainingsmöglichkeiten bestehen zur Zeit in der Turnhalle der Heinrich-von-Kleist-Schule, und zwar montags und donnerstags jeweils von 17.00 bis 22.00 Uhr. Die Zeit von 17.00 bis 19.30 Uhr ist vorläufig den Schülern reserviert.
Zu ergänzen sei, das bei den vorjährigen Stadtmeisterschaften am 10.12.1972 sich schon einige Erfolge der neuen Judoabteilung einstellten.
Zweite der Judo-Stadtmeisterschaften der Frauen ( Mädchen ) wurde Annette Schmeink.
Den dritten Platz belegte Rainer Jünemann in der 70 kg Klasse der Junioren ( Senioren ).
Beide Sieger wurden mit einer Medaille geehrt.
Viel Kampfgeist bewiesen auch Rubi Topuz und Knut Schimanowski, die noch den vierten und fünften Platz belegen konnten.